Fallbeispiele zur Förderung umweltbewusster Mobilität - Von anderen Städten lernen

Autos machen Lärm und sind umweltschädlich. Auf Straßen führen Unfälle mit oder in ihnen jedes Jahr zu vielen Toten und Schwerverletzten. Sie stehen die meiste Zeit ungenutzt herum, sind teuer und verstopfen die Straßen. Dennoch nimmt der Autoverkehr Jahr für Jahr weiter zu.  

Wenn wir aktiv und tatsächlich dem Klimawandel entgegensteuern und die UN- sowie EU-Klimaziele erreichen wollen, ist beim motorisierten Individualverkehr (MIV) dringend ein Umdenken nötig. Und um ehrlich zu sein, kann dies gar nicht radikal genug sein, wenn wir überhaupt noch eine Chance haben wollen, die Klimaziele zu erreichen.

Damit eine Veränderung beim Mobilitätsverhalten hin zu mehr Umweltbewusstsein gelingt, müssen Menschen überzeugt werden. Menschen sind in der Regel dann bereit, sich umweltbewusst zu verhalten, wenn sie daraus Vorteile ziehen und keine Nachteile erleiden. Mit Erziehungsmaßnahmen dagegen kommt man oftmals nicht weit. Es müssen Anreize geschaffen werden und es müssen Veränderungen und Auswirkungen sichtbar werden.

Dafür eignen sich Reallabore am besten, d.h. Kooperationen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, in welchen Ideen und Visionen über die Mobilität der Zukunft ausgetauscht werden können und in welchen das gegenseitige Lernen in einem experimentellen Umfeld im Vordergrund steht.

In anderen Städten und Ländern außerhalb unserer Rhein-Neckar-Region gibt es bereits vielversprechende Ansätze und Projekte, die zu einem nachhaltigen Umgang mit dem Thema Verkehr und Mobilität führen können. Im Nachfolgenden werden sechs solcher Beispiele vorgestellt. Wünschenswert wäre, dass sich die Verkehrs- und Stadtplaner ebenso wie die politischen Verantwortlichen unserer Region mit diesen Modellprojekten auseinandersetzen und sie in zukünftige Entscheidungen miteinfließen lassen.

Autofreies Wohnen – Vauban, Freiburg

Der Stadtteil Vauban im Süden Freiburgs wurde nach dem Mobilitätskonzept des autoreduzierten Wohnens geplant. Etwa 2000 Wohn-, Misch- und Gewerbeflächen entstanden auf einem ehemaligen 42 Hektar großen Kasernenareal.


Idee:
Der Verzicht auf die Autonutzung erhöht direkt die Umweltqualität im Stadtteil. Verkehrsbedingte Schadstoff- und Lärmbelastungen entfallen und den ressourcenschonenderen Verkehrsmitteln werden mehr Chancen gegeben. Ziel und Motivation sind es mit einer geringstmöglichen PKW Dichte ein lebenswertes und familienfreundliches Wohnumfeld zu schaffen.


Umsetzung:
Die Bewohner Vaubans verpflichten sich kein, eigenes Auto zu besitzen. Der größte Teil des Stadtteils ist aber stellplatzfrei. “Stellplatzfrei” bedeutet, dass Stellplätze und Garagen auf öffentlichen und privaten Flächen nicht zulässig sind und nur auf den extra für Stellplätze vorgesehenen Flächen ausgewiesen werden dürfen. Dafür gibt es in Vauban zwei, am Rande des Stadtteils gelegene Parkgaragen. Sie bieten die Möglichkeit, nachträglich einen Stellplatz außerhalb der Wohnbezirke zu erwerben. In Vauban kommen auf 1.000 Einwohner lediglich 150 PKWs.


Alle Straßen innerhalb des Wohngebiets sind als Fußgängerzonen oder verkehrsberuhigte Wohnstraßen ausgewiesen. Konkret wurde im Stadtteil eine Differenzierung zwischen der Haupt-Erschließungsstraße, auf welcher mit Geschwindigkeiten bis zu 30 km/h gefahren werden darf, und dem Rest des Quartiers vorgenommen. Auf den beruhigten Wohnstraßen ohne öffentliche Parkplätze, dem ergänzenden Fuß-/Radwegesystem und den reinen Fußgängerbereichen darf nur Schrittgeschwindigkeit gefahren werden.
Eine Straßenbahnlinie mit drei Halterstellen sowie zwei städtische- und eine Regional-Buslinie erschließen den Stadtteil. Das zudem eingerichtete Car-Sharing Angebot wird überdurchschnittlich gut angenommen. Außerdem gewährt das Verkehrskonzept denjenigen, die auf ein eigenes Auto verzichten, finanzielle Vorteile durch die Aussetzung der Stellplatzpflicht.


Gewerbe und Läden für den alltäglichen Bedarf sind fußläufig angesiedelt, damit die Abhängigkeit vom Stadt-Zentrum abgebaut wird. Darüber hinaus gibt es im Stadtteil verschiedene Strukturen, die den Bewohnern das autofreie Leben erleichtern. Beispiele dafür sind ein Supermarkt, der einen Lieferservice anbietet oder ein Fahrradladen, der neben Handel und Selbsthilfewerkstadt auch den Verleih von Fahrrädern, Anhängern und Lastenrädern anbietet.


Neben dem Verkehrskonzept setzt Vauban auch auf Niedrigenergiehäuser. Viele Häuser erzeugen Solarstrom und tragen so zu einer besseren Klimabilanz bei. Das alles war möglich, weil das Konzept schon vor der baulichen Erschließung existierte. Mit einer erweiterten Bürgerbeteiligung und privaten sowie genossenschaftlichen Baugruppen konnte das Stadtviertel nach den Wünschen der zukünftigen Bewohner gestaltet werden.


Die autofreien Haushalte sind allgemein sehr zufrieden mit ihren Mobilitätsmöglichkeiten. Im Vergleich zum Freiburger Durchschnitt legen die Bewohner Vaubans mehr Wege mit dem Fahrrad zurück. In Vauban wurde ein lebenswertes und familienfreundliches Wohnumfeld geschaffen – Das Straßenbild ist geprägt von spielenden Kindern.


Schwierigkeiten und Kritik:

Schwierigkeiten haben lediglich Bewohnern mit PKW, die einen weiten Weg zu den Parkgaragen zurücklegen müssen, und bei Besucher, die mit dem Auto anreisen. Für letztere gibt es auf den Gehwegen zusätzlich markierte Parkplätze. Diese wenigen öffentlichen Stellplätze im Stadtteil werden nachts bedauerlicherweise oft von Bewohnern belegt.


Zudem ist der Stadtteil noch immer von einer fehlenden sozialen Durchmischung gekennzeichnet. Menschen, die hohen oder sehr hohen Sozialstatus besitzen sind im Stadtteil überdurchschnittlich vertreten. Größtenteils handelt es sich dabei um junge Familien mit Kindern. Das liegt aber nicht an den hohen Mietpreisen, sondern am gesamten Konzept des autofreien und genossenschaftlichen Wohnens, das besonders bei jungen Familien einen guten Anklang findet. In letzter Zeit wird der Stadtteil auch immer beliebter bei Rentnern.

Weitere Informationen:

freiburg-vauban die privat betriebe Webseite des Stadtteils

Umsetzungsbegleitung des Verkehrskonzepts im Stadtteil Freiburg-Vauban (2003)

Radverkehrsinfrastruktur - Kopenhagen

Kopenhagen verfolgt das Ziel bis 2050 eine CO2-neutrale Stadt zu werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Verkehr. In Kopenhagen gibt es deshalb immer weniger Autos und immer mehr Fahrradfahrer. Auf jedes Auto kommen mittlerweile 5,2 Fahrräder.


Etwa ein Drittel der Einwohner fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit, Schule oder Universität. Der Radverkehr ist hier von einer hohen Vielfalt von Fahrradfahrern geprägt. Für Kleinkinder gibt es spezielle Körbe, welche hinten oder vorne an die Fahrräder montiert werden.


Idee:
Durch eine wachsende Zahl von Menschen, die zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren, anstatt das Auto zu benutzen, verringert sich die Luftverschmutzung und die Emission klimaschädlicher Treibhausgase. Die Lebensqualität steigt und das Risiko, an bestimmten Krankheiten zu erkranken nimmt ab.


Umsetzung:

Die Infrastruktur für den Radverkehr wurde sehr gut ausgebaut. Radwege sind breit und wurden bewusst durch einen Randstein vom fließenden Verkehr getrennt. Auf Kreuzungen sind extra blau markierte Fahrradspuren angelegt worden. An den Hauptverkehrsstraßen hat man die Parkplätze entfernt, sodass mehr Raum für den fließenden Verkehr zur Verfügung steht. Die Stadtplaner versuchen die Stadt auf ein menschliches Tempo zu verlangsamen.


Autofahrer haben in Kopenhagen eine hohe Sensibilität gegenüber Radfahrern entwickelt, da die meisten Autofahrer selbst ebenfalls Radfahrer sind. Zudem sind sie es gewohnt, den öffentlichen Raum mit Radfahrern zu teilen.


Begleitend wurde die Anzahl an Verkehrsschildern reduziert. Das sorgt für mehr Überschaubarkeit und erlaubt die Konzentration auf das Verhalten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern. Zudem ermöglicht ein einfacheres Ampelsystem intuitiveres Fahren. Die Verkehrsteilnehmer müssen anders als in Deutschland nicht auf spurenabhängige Ampelschaltung und Sonderregeln achten, sondern sich lediglich an Vorfahrtsregeln halten. Eine zusätzliche Ampel auf der gegenüberliegenden Straßenseite trägt ebenfalls zur Übersichtlichkeit bei.


Kopenhagen ist vor allem für die „Supercycelstier“ – sehr gut ausgebaute Radwege für längere Distanzen – bekannt. Sie sind deutlich breiter als normale Radwege und führen mit möglichst wenigen Kreuzungspunkten quer durch die Stadt. Asphaltkeile ermöglichen einen schnellen Wechsel auf baulich getrennte Hochbord-Radwege.


Eine weitere Eigenheit ist die „Cykelslangen“ – eine schlangenförmige, 190 Meter lange Stahlbrücke extra für den Radverkehr über das innere Hafenbecken Kopenhagens, mit der das Ziel verfolgt wurde, die Wege für die Radfahrer zu verkürzen.


Schwierigkeiten und Kritik:

Schwierigkeiten gibt es vor allem bei der Parkplatzsituation für Fahrradfahrer. Vereinzelt findet man stationäre Fahrradständern, meist werden die Fahrräder aber an Hauswänden oder auf den ohnehin schon schmalen Gehwegen abgestellt. Darunter leiden vor allem Fußgänger. An Knotenpunkten wie Bahnhöfen ist die Situation dagegen entspannter, hier findet man Doppelstöckige Parkanlagen für Fahrräder


Trotz der angespannten Platzsituation an manchen Stellen begegnen sich alle Verkehrsteilnehmer mit gegenseitigem Respekt. In der Regel sind die Radwege frei von parkenden Autos und bleiben auch von sonstigen Hindernissen verschont.


Weitere Informationen:

Kopenhagen - Licht und Schatten der Fahrradhauptstadt (2018)

Superblocks - Barcelona

Die sogenannten Superblocks in Barcelona sind  Teil eines umfassenden Programms zur Verbesserung des Verkehrssystems und zur Reduzierung der Umweltverschmutzung. Mehrere Häuserblocks in einem etwa 400 mal 400 Meter großen Abschnitt werden zu einer verkehrsberuhigten Zone zusammengefasst. 1993 wurde der erste Superblock nahe der Altstadt ausgerufen, in den folgenden Jahren nahm die Zahl stetig zu und auch 2018 entstehen 5 neue Superblocks. Insgesamt sollen so 60 Prozent von Barcelonas Straßen autofrei werden.


Idee:
Barcelona verfolgt mit den Superblocks das Ziel, den Verkehr und die Luftverschmutzung zu reduzieren, Straßen, Kreuzungen und öffentliche Plätze effektiver zu nutzen sowie Nachbarschaften im Allgemeinen angenehmer zu gestalten. Die Stadt soll entschleunigt werden und wieder den Menschen gehören.


Umsetzung:
Der Verkehr wird um die Superblocks herumgeleitet, nur ein sehr begrenzter Anteil – wie Anwohner und Lieferverkehr – darf die abgegrenzten Blocks in Schrittgeschwindigkeit passieren. Die Straßen sind vorrangig für den nicht motorisierten Verkehr und für Fußgänger gedacht.


Die Kreuzungen innerhalb der Superblocks wurden zu Plazas, Gärten und Spielplätzen umgebaut. Beispielsweise wurden Autoreifen und recyceltes Material genutzt, um einen Spielplatz mit Fußballfeld und Sandkasten zu bauen. Damit werden Räume der Begegnung geschaffen, was sich positiv auf die Lebensqualität und die soziale Vernetzung auswirkt. Besonders Kinder profitieren von den geschützten innerstädtischen Orten, ihnen wird ein Lern- und Entdeckungsraum im Freien ermöglicht. Aber nicht nur Stadtbürger profitieren von den Superblocks. Die dadurch entstandenen öffentlichen Plätze und Flaniermeilen machen die Stadt auch attraktiv für Touristen.

Zusätzlich zur Entschleunigung des Stadtverkehrs plant Barcelona im Zuge der großen Verkehrsreform ebenfalls einen Ausbau der Fahrradinfrastruktur und des öffentlichen Nahverkehrs, sowie eine bessere Zuganbindung der Vororte.


Nachdem Superblocks in der Vergangenheit punktuell und vereinzelt umgesetzt wurden, sollen das Konzept jetzt nach und nach auf die ganze Stadt ausgeweitet werden. Für die Umsetzung arbeiten Architektur Professoren und Studenten mit Bewohnern und dem lokalen Gewerbe zusammen.


Schwierigkeiten und Kritik:
Um das Konzept umzusetzen und Akzeptanz bei den Bürgern zu schaffen ist ein kollektives Umdenken nötig. In der Bevölkerung gibt es gemischte Reaktionen. Während ein Teil der Bewohner von den Vorteilen überzeugt ist, beklagten viele, dass sie im Vorfeld nur wenig Zeit und Erklärung bekommen. Einige Bewohner müssen durch das Konzept der Superblocks länger zu Bushaltestellen laufen oder haben mehr Schwierigkeiten einen Parkplatz zu finden.


Zudem wurde durch die Errichtung der Superblocks die Straßenkapazität limitiert ohne unmittelbar die tatsächliche Zahl der Fahrzeuge zu reduzieren. Der Verkehr wird damit also nicht aufgehoben, sondern nur an eine andere Stelle verlagert. Dieses Problem kann zu mehr Stau und damit zu einer zunehmenden Luftverschmutzung führen, wenn die Autonutzung in Zukunft nicht rückläufig ist. Deshalb möchte Barcelona die allgemeine Autonutzung um 20 Prozent reduzieren


Weitere Informationen:

What New York can learn from Barcelona's 'Superblocks' (2016)

Superblocks für lebenswertere Städte (2022)

Mexicable – Seilbahn über Mexico City

Mexiko City hat ca. 21 Millionen Einwohner, gehört zu den verkehrsreichsten Städten der Welt und liegt in einem Tal, das an drei Seiten von Bergen umgeben ist. Die Kessellage und das hohe Verkehrsaufkommen führen regelmäßig zu Smog. Die Stadtverwaltung hat bisher schon viel verändert, um die Luftqualität zu verbessern. Eine Ölraffinerie wurde geschlossen, weniger Müll wird verbrannt, Industrien wurden ausgelagert. Zudem enthält verkauftes Benzin kein Blei mehr und Autos haben Katalysatoren. Seit kurzem entlastet auch eine 4,9 Kilometer lange Seilbahn mit sieben Stationen den Stadtverkehr. Die Bahn besteht aus 184 Wagons, in welchen jeweils 190 Personen Platz finden.


Idee:
Neben der Verkehrsentlastung und der damit verbundenen Verbesserung der Luft- und Lebensqualität soll das Seilbahnprojekt auch sozioökonomische Probleme lösen.


Umsetzung:
Mexicable ist Teil des Projekts für städtische Infrastruktur, Nahverkehr, Straßen- und Autobahninfrastruktur. Die Seilbahn fährt zwar nicht direkt ins Zentrum ist aber gut an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen. Sie dient als Erweiterung und Anknüpfung des bestehenden Verkehrsnetzes.

Besonders die benachteiligte Bevölkerung des Stadtbezirks Ecatepec soll davon profitieren und besser angebunden werden. Die randstädtische Region in Hanglage zählt zu den ärmsten und gefährlichsten in Mexiko City.

Statt ein bis zwei Stunden beträgt die Reisezeit von der äußersten Station zur  Station, die am nächsten am Zentrum liegt, nur noch 17 Minuten. Diese Zeiteffizienz ermöglicht es Menschen, mehr Zeit mit ihren Familien zu verbringen und erhöht die Lebensqualität allgemein. Der Weg zu Schule, Universität oder Arbeit ist für eine große Bevölkerungsgruppe kürzer, angenehmer und sicherer geworden.

Die Seilbahn ist elektronisch betrieben, was zur Reduktion der Emission klimaschädlicher Treibhausgase beitragen kann. Neben dem ökologischen und sozialen Nutzen unterstützt das Projekt auch den Tourismus.

Zudem gibt es weitere positive Effekte. Die Stationen wurden von regionalen und internationalen Künstlern bemalt. Das Stadtbild wurde zusätzlich durch Straßenkunst entlang der Strecke aufgewertet und in Ecatepec selbst wurden Straßenlaternen installiert und Straßen gepflastert.

Ähnliche Seilbahnen finden sich in ganz Lateinamerika – beispielsweise im kolumbianischen Medellin, im brasilianischen Rio de Janeiro, in Caracas und vor allem im bolivianischen La Paz, wo es inzwischen mit 10 Seilbahnlinien im Stadtgebiet das längste städtische Seilbahnnetz der Welt gibt. Im Zuge des länderübergreifenden Gondola-Projekts sollen zukünftig noch mehr Seilbahnen in Lateinamerika und anderen Großstädten der Welt für eine nachhaltigere Mobilität gebaut werden.


Schwierigkeiten und Kritik:
Angesichts der großen Erfolge und der Umgestaltungskraft solcher Seilbahngroßprojekte befürchten Experten, dass die Idee von Politikern als Werbemasche für den eigenen Wahlkampf missbraucht werden könnte. Auch in der Bevölkerung der Stadt Mexiko City gibt es kritische Stimmen, nach denen die Stadt das Geld lieber für Bildungsprojekte oder zur Verbesserung der Grundversorgung hätte verwenden sollen. Denn noch immer gibt es in der Stadt viele Haushalte ohne Elektrizität und Zugang zu fließendem Wasser. Manche Probleme der Menschen vor Ort sind vielleicht dringender als die der Mobilität.


Urbane Seilbahnen in Deutschland und der Region:
In Deutschland gab und gibt es so auch zahlreiche Initiativen für den Bau urbaner Seilbahnen als Mittel gegen den Verkehrsinfarkt.

Auch in der Rhein-Neckar-Region sind urbane Seilnahnen ein Thema. In Heidelberg gibt es von Initiativen die Forderungen nach einer Seilbahn ins Neuenheimer Feld. In Neustadt an der Weinstraße hate eine Bürgerinitiative angeregt, eine Seilbahn zum Touristenmagneten Hambacher Schloss zu bauen und damit die vielen Auto-Tagesausflügler von der Straße zum Schloss, die durch das darunterliegende Wohngebiet führt, runter zu bekommen. Mannheim will zwischen dem alten BUGA-Gelände Luisenpark und dem neuen BUGA-Gelände im Spinelli-Areal eine 2 km lange Seilbahn errichten.

Doch Seilbahnprojekte haben es in Deutschland schwer. In mehreren Städten haben sich die BürgerInnen und KommunalpolitikerInnen dagegen ausgesprochen. So in Aachen, Hamburg, Marburg oder auch in Trier. Oft befürchten die BürgerInnen, dass die Gondeln am eigenen Fenster vorbeifahren und die Privatsphäre verloren geht. Auch werden Seilbahnen von vielen Kommunalpolitikern, VerkehrsplanernInnen und BürgernInnen noch immer nicht als ernsthafte Alternative für den ÖPNV wahrgenommen. Man verbindet mit ihnen eher ein touristisches Angebot, die gemütliche Fahrt zum Skihang, nicht aber die Lösung einer Verkehrsproblematik in der Stadt.So wie einige Seilbahnen bisher geplant und entstanden sind, ist dies auch durchaus nicht von der Hand zu weisen.

Dabei sind Seilbahnprojekte eigentlich eine kostengünstige Alternative zu anderen Optionen des ÖPNV. Sie sind deutlich günstiger zu realisieren als z.B. ein Ausbau der S- oder U-Bahn. Sie können zudem mit lokal erzeugtem Ökostrom betrieben werden. Seilbahnen sind sehr geräuscharm und durch starke Automatisierung auch wenig personalintensiv, wodurch der Betrieb relativ kostengünstig wird. Außerdem sind die Bauzeiten vergleichsweise kurz und das Warten auf den alle 10 Minuten eintreffenden, aber im Verkehr festgefahrenen Bus entfällt. Die nächste Gondel kommt in der Regel spätestens in einer Minute. Anschließend im Stau steckenbleiben: ausgeschlossen.

Es gibt bereits erste urbane Seilbahnen in Deutschland. So z.B. im nahen Koblenz, wo die Seilbahn ebenfalls für die BUGA gebaut und danach geblieben und heute Teil des dortigen ÖPNV ist. Es gibt aber auch weitere vielversprechende Seilbahnplanungen in Deutschland. München erstellt derzeit eine Machbarkeitsstudie füre eine Seilbahn, die helfen soll, die tägliche Stauproblematik am Frankfurter Ring zu entschärfen. In Köln wird über eine bis zu 33 km lange Seilbahn nachgedacht, die voll in den ÖPNV integriert sein soll.


Weitere Informationen:

Near Mexico City, Cable Cars lets commuters glide over traffic (2016)

The Gondola Project ist eine allgemeine Seite zu Seibahnprojekten in Lateinamerika

YouTube-Video zur Seilbahn der BUGA 2023 in Mannheim

ARTE-Beitrag zu urbanen Seilbahnen

Infos zu den Planungen einer Seilbahn in München

Elektromobilität - Shenzhen

Aufgrund der schnellen Entwicklung der Industrie hat die Verstädterung der südchinesischen Provinz Shenzhen in den vergangenen Jahren rasant zugenommen. Über die Hälfte der Bevölkerung zählt mittlerweile zu den Stadtbewohnern, aber die Mehrheit besitzt kein Auto und nutzt den öffentlichen Verkehr. Durch staatliche Unterstützung funktioniert dieser fast ganzheitlich elektrisch. Die Region ist eine Modell- oder Vorzeigeregion für die Förderung und Nutzung von Elektromobilität


Idee:
Mit dem bewusst gesteuerten Umstieg auf Elektromobilität wollte Shenzhen die Feinstaub- und Lärmbelästigung reduzieren. Die anvisierte bessere Luftqualität sollte bewirken dass die Menschen seltener krank werden. Eine höhere Lebensqualität soll gut ausgebildete Arbeitskräfte in die Stadt locken. Ein weiteres Ziel ist es, die technologische Vorherrschaft in der Automobilindustrie im Bereich der Elektromobilität zu stärken und auszubauen.


Umsetzung:
In Shenzhen wurde beinahe der gesamte Busbestand von 16.000 Bussen elektrifiziert. Die meisten Fahrzeuge werden nachts aufgeladen und legen dann bis zu 250 km im dreistündigen Regelbetrieb zurück. Wenn ein Bus länger gebraucht wird, fährt er in den Pausen eine Ladestation an. Neben gewöhnlichen Ladesäulen gibt es in Shenzhen beispielsweise auch Parkhausdächer, die mit Solarpanels ausgestattet sind, um den Strom für die darunter gelegene Ladestation zu liefern. Da dieses Modell funktioniert wird momentan auch an einer Lösung zur Elektrifizierung aller Taxen und Lastkraftwagen gearbeitet.


Möglich gemacht hat das Elektromobilitätsprojekt die chinesischen Regierung. China investiert durch Staatfonds und Subventionen Milliarden in die Elektromobilität und verfolgt dabei auch ökonomische und politische Ziele. Während die Energiewende in Deutschland von verschiedenen Interessensgruppen vorangetrieben wird, ist es in China eine nationale Aufgabe. Das trägt zu einer schnelleren Umsetzung bei, wirft aber auch die Frage auf, wie sozial verträglich diese Entscheidungen sind.


Autobauer müssen in Shenzhen eine Mindestquote an E-Autos herstellen. Für die E-Busse gibt es eine strikte Stromsparregel. Zum Beispiel dürfen sie nur bis maximal 23 Grad heruntergekühlt werden, da die Klimaanlagen der Busse bis zu einem Drittel der Energie verbrauchen.


Die meisten Elektrofahrzeuge, die in China produziert werden, bleiben in der Volksrepublik und werden dort verkauft. Auch die einzelnen Produktionsschritte finden alle in der Großregion um Shenzhen statt, das schafft neue Arbeitsplätze und stärkt die lokale Wirtschaft.


Die Lärm- und Feinstaubbelastung sowie die Emission klimaschädlicher Treibhausgase konnten durch das auf Elektromobilität ausgerichtete Mobilitätskonzept verbessert werden, das Verkehrsaufkommen an sich aber wurde nicht reduziert. Die hohe staatliche Entscheidungsmacht beschleunigt die Umsetzung, verhindert aber auch, dass verschiedenste Interessensgruppen in Einklang gebracht werden können und etwaige Alternativen und Verbesserungen bleiben ungehört.


Schwierigkeiten und Kritik:
Schwierigkeiten gibt es vor allem bei der Reichweite und bei der  Ladeinfrastruktur. Der Plan, den Strom für die Elektrobusse und Elektroautos durch Solarpanels zu gewinnen, gestaltet sich aufgrund des steigenden Preises für Flächen in der Provinz Shenzhen als schwierig, da die Sonnenkollektoren viel Platz brauchen.


Weitere Informationen:

Mobilität von morgen: In Shenzhen kehrt Stille ein (2018)

Elektromobilität. Eine Stadt unter Strom (2018)

Exkurs: Parklet als Realexperiment in (Groß-)Städten weltweit

Ein Parklet – der Begriff setzt sich aus den Worten „Parkplatz“ und „Palette“ zusammen – ist eine Konstruktion, die auf öffentlichen Parkplätzen zum Einsatz kommt und die Parkplätze vom reinen Auto-Abstellort hin zum Erlebnis- und Aufenthaltsraum für Menschen werden lässt. Ein Parklet bietet vor allem Sitzmöglichkeiten, kann aber auch Elemente wie Pflanzen, Beleuchtung, Regenschutz, Blumenbeete oder Fahrradabstellmöglichkeiten beinhalten.


Idee:
Allgemein sollen Parklets die Aufenthaltsqualität verbessern und den Menschen mehr öffentlichen Raum zur Verfügung stellen, wo er ihnen von den Millionen parkenden Autos genommen wurde. Der öffentliche Raum soll so von den Autos zurückgewonnen werden und menschenfreundlicher werden. Das ist nicht nur wichtig, weil Straßen wieder zu Orten werden sollen, an denen man sich gerne aufhält. Es ist auch wichtig, weil Straßenverwaltungen wie z.B. die der Stadt Heidelberg zunehmend Parkflächen entfernen, den Bürgern aber nicht nur etwas weggenommen werden, sondern auch dafür etwas Positives gegeben werden soll. Park, Spielfläche oder Begegnungsfläche statt Abstellfläche für Blech! Das soll die Akzeptanz der Wegnahme von Parkplätzen erhöhen. Gleichzeitig haben solche Installationen eine politische Komponente und sollen eine Diskussion über den öffentlichen Raum in der Stadt anstoßen.


Da ein Parklet kein festes Fundament hat, kann es kostengünstig errichtet und schnell auf- und abgebaut werden.


Umsetzung:
Das erste Parklet wurde 2010 in San Francisco installiert – dort sind Parklets heute nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken. Aus der Stadt kam bereits vor Jahren die Idee des PARK(ing) Day. Parklets sind im Prinzip eine Weiterentwicklung des PARK(ing) Day, an dem nur für einen Nachmittag PKW Stellplätze von lokalen Initiativen in kleine urbane Parks umgewandelt werden.


Die Idee der Parklets bekam weltweit regen Zuspruch und wurde in vielen Städten als Realexperiment adaptiert. Heute haben sich die Parklets in verschiedenen Städten als erfolgreiches Instrument zur Verkehrsberuhigung und Aufwertung des öffentlichen Raumes bewiesen. Zudem kommen sie oftmals den lokalen Geschäften, den Anwohnern und den Besuchern zugute, da sie einen einzigartigen öffentlichen Raum schaffen und damit Kunden anlocken und zum sozialen Austausch einladen. Dies ist in Heidelberg z.B. vor dem Café Tiefburg in der Steubenstraße zu sehen. Dort wird im Sommer nämlich ein Parkplatz durch eine Holzplattform zum Außenbereich des Cafés umfunktioniert.


Parklets können einen permanenten Charakter haben oder nur von temporärer oder saisonaler Dauer sein. In jedem Falle sollen sie aber so konstruiert sein, dass sie im Notfall leicht und einfach abgebaut werden können.


Im Idealfall sind Parklets zudem offen für die Öffentlichkeit, nur in Einzelfällen erlaubt die Stadt Restaurants den Aufbau von Parklets zur Erweiterung ihrer Außenfläche zu nutzen. In Mannheim sind dagegen gerade solche Parklets in Planung, die Gewerbebetriebe eine zusätzliche Außenfläche ermöglichen. In Heidelberg bemühen sich aktuell die Vereine, die den PARK(ing) Day Heideberg veranstalten – Ökostadt Rhein Neckar, ADFC Rhein-Neckar/ Heidelberg, BUND Heidelberg, Transition Town Heidelberg und der VCD Regionalgruppe Rhein-Neckar in Abstimmung mit der Stadtverwaltung um die Aufstellung von Parklets an verschiedenen Standorten.


In Deutschland wurden Parklets u.a. in Stuttgart realisiert. Dort war die Umsetzung mancher Parklets im Rahmen eines Reallabor-Projekts an bestimmten Stellen so erfolgreich, dass das Projekt nach der Reallabor-Phase fortgeführt werden soll und seine Weiterführung sogar von der Stadtverwaltung an den Stadtrat herangetragen wurde. Einzelne Parklets sollen von Frühjahr bis Herbst aufgebaut und von betreuenden Gruppen gepflegt werden.

Schwierigkeiten und Kritik:
Kritik ernten die Parklets vor allem von Autobesitzern, die sich auf Grund der eh schon knappen Parksituationen in Innenstädten hintergangen fühlen.

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